Da es ja viele nicht mehr bis zur Weltmeisterschaft in Südafrika abwarten können, wird im Kopfkino bei so manchen schon lange die WM ausgetragen. Dementsprechend unterschiedlich sind auch die neuen Weltmeister. So bekam ich erst vor kurzem einige Mails, in denen schon Spanien als Weltmeister fest stand. Auf das Ergebnis sei man glaube ich doch eine recht große Umfrage gekommen. Wie dem auch sei, gestern bekam ich wieder eine Mail, diesmal mit der Ankündigung: Brasilien wird Weltmeister! Diese Ergebnis beruhe aber auf einer wissenschaftlichen Studie …
Das schöne an der Studie, Brasilien wird nicht nur Weltmeister, sondern Deutschland Vizeweltmeister! Und die Wahrscheinlichkeit der Prognose soll sogar bei 75% liegen. Nun ist so eine Studie ja durchaus ernsthafter, als eine einfache Umfrage (wobei man die “Die Weisheit der Vielen” ja nicht außer Acht lassen sollte ;)). Deswegen hier noch ein paar weitere Informationen:
In einer Pressemitteilung heißt es dazu folgendermaßen:
ein Team aus Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern der Eberhard Karls Universität Tübingen hat pünktlich zur Fußball Weltmeisterschaft eine Studie über den Ausgang der FIFA WM veröffentlicht. Ihre Besonderheit ist der ganzheitliche Blickwinkel. So fußen die Ergebnisse auf sportlichen Variablen, berücksichtigen aber auch den Einfluss von Politik, Ökonomie, Kultur und vielem mehr auf den sportlichen Erfolg. Laut Studie wird Brasilien Weltmeister, Deutschland Zweiter, vor Frankreich und Italien. Im Viertelfinale scheitern Niederlande, England, Spanien und Portugal. Die Wahrscheinlichkeit der Prognose liegt bei 75%.
Prof. Dr. Josef Schmid vom Institut für Politikwissenschaften der Eberhard Karls Universität Tübingen nennt die Gründe für den speziellen Ansatz: „Es existieren eine Vielzahl an Prognosen über den Ausgang der kommenden Fußball-Weltmeisterschaft. Was sie eint: ihr eindimensionaler Zugriff. Sportlicher Erfolg wird allein mit fußballerischen Faktoren erklärt. Diesen Prognosen setzen wir bewusst eine deutlich vielschichtigere entgegen, die neben den sportlichen Faktoren eine Vielzahl polit-ökonomischer, sozio-geographischer, religiöser und psychologischer Variablen in die Analyse mit einbezieht – und so eine treffendere Aussage über den Ausgang des Turniers machen kann. Wir können das durch die Retrospektive auf vier vergangene Fußball-Weltmeisterschaften belegen. Ein erstes Fazit: Erfolg ist pfadabhängig.“
So haben die Wissenschaftler ein ausgeklügeltes Rechenmodell entwickelt – und dessen Erklärungskraft und Validität auch anhand der vergangenen WM-Turniere überprüft. Mit großem Erfolg: retrospektiv können die Wissenschaftler mit ihrem Modell die vergangenen vier Weltmeisterschaften zu 75% korrekt rekonstruieren. Dabei fließen auch der Verlauf des Wettbewerbs und die Einteilung der Gruppen mit in die Analyse ein.
Das Tübinger Forscherteam stützt seine Analyse auf ein breites Variablen-Set. Neben fußballerischen Variablen (WM-Teilnahmen, WM-Platzierungen, FIFA-Punkte, UEFA-Koeffizient, Heimvorteil und Zugehörigkeit zu FIFA-Gruppen) fallen besonders polit-ökonomische (BIP/Kopf, GINI-Koeffizient, Human Development Index, Freedom House Freedom in the World Index und die Anzahl registrierter Fußballer) sowie sozio-geographische Variablen (Katholikenanteil, Entfernung zu London und nach Chichén Itza, aber auch die Kontinentalzugehörigkeit) ins Gewicht. Dabei zeigt sich, dass es nicht die Mannschaften mit dem stärksten Kader oder den stärksten Fußballligen sind, die bei dieser Weltmeisterschaft erfolgreich abschneiden werden, sondern die Alteingesessenen des Fußballgeschehens.
Die Autoren – Volquart Stoy, Dr. Rolf Frankenberger, Dr. Daniel Buhr, Lisa Haug, Benedikt Springer und Prof. Dr. Josef Schmid – arbeiten am Lehrstuhl für Politische Wirtschaftslehre und Vergleichende Politikfeldanalyse des Instituts für Politikwissenschaften der Universität Tübingen. Sie haben in ihrer Studie wissenschaftliche Akkuratesse mit Lesbarkeit und Breitenwirkung verknüpft. Eine Reihe von passenden Fußballzitaten, zahlreiche Schaubilder sowie ausführliches Datenmaterial runden das Werk ab.
Nach meiner Meinung eine ganz schön gewagte These. Warum sollen denn polit-ökonomischer, sozio-geographischer, religiöser und psychologischer Variablen das Spiel unserer 11-Mannen beeinflussen? Und wenn das so ist, wie schafft es dann ausgerechnet Griechenland in das Achtelfinale?;)
Fragen über Fragen. Hier die prognostizierten Platzierungen 2010 auf einen Blick
- Weltmeister: Brasilien
- Vize: Deutschland
- Dritter: Frankreich
- Vierter: Italien
- Viertelfinale: Niederlande, England, Spanien, Portugal
- Achtelfinale: Serbien, Argentinien, Australien, Südafrika, Uruguay, Griechenland, Kamerun, Ghana
Ich bin ganz ehrlich, die Studie habe ich bisher noch nicht komplett gelesen. Werde das aber auf jeden Fall nachholen, da ich es schon sehr interessant findet und nachher dann auch schaue, inwieweit die Studie recht hatte.
Das Working Paper zur Studie findet man auf jeden Fall auf den Servern der Universität Tübingen (PDF!)